Können Waymos Erfolge in San Francisco auch in London erreicht werden?

Können Waymos Erfolge in San Francisco auch in London erreicht werden?

Dem autonomen Fahren gehört die Zukunft und an der Umsetzung wird in vielen Ländern dieser Welt bereits gearbeitet, und was vor Jahren noch als Science-Fiction galt, wird mittelfristig zur Realität auf unseren Straßen werden. Führend in diesem Bereich ist Waymo, ein Unternehmen, das sich ganz auf die technologische Entwicklung des autonomen Fahrens spezialisiert hat.

Die erst kürzlich erfolgte Pressemitteilung des Unternehmens über den geplanten Umzug nach London, in eine der führenden Mega-Cities dieser Welt, ist ein weiteres Zeichen für die ehrgeizigen Absichten dieses innovativen Tech-Riesens.

Doch was bedeutet diese Ankündigung für die Autofahrer in Großbritannien und am europäischen Festland? Wird der Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge, die Art und Weise, wie sie fahren, den aktuellen Straßenverkehr für immer verändern? Dieser Artikel wirft einen genaueren Blick auf den aktuellen Status der vollautomatisierten Fahrzeuge.

Die neue Normalität in San Francisco

Um Waymos Bedeutung im Straßenverkehr zu verstehen, muss man sich an jene Orte begeben, in denen das Unternehmen bereits erfolgreich ist. In Städten wie San Francisco sind Waymos autonome Taxis, die weißen Jaguar I-PACE, bereits seit geraumer Zeit zum festen Bestandteil des Stadtbildes geworden. Sie finden sich gut in den Hügeln der Stadt zurecht, erkennen Radfahrer und alle anderen Verkehrsteilnehmer im Straßennetz der Stadt und haben die von Kritikern befürchteten Unfälle bisher fast zur Gänze verhindert.

Dieser Status Quo ist zur neuen Normalität in der Blumenstadt geworden. Für die Bewohner aber auch für die Touristen in der Stadt am Pazifik ist das Bestellen eines Waymo gegenwärtig bereits zur Routine geworden, gleichzusetzen mit den Bestellungen in Europa von Bolt- oder Uber-Taxis. Der Ablauf der Fahrten ist daher fast immer dasselbe: Das bestellte Fahrzeug fährt vor, man nimmt die Fahrt an und bestätigt beim Ende der Fahrt per App, dass alles reibungslos funktioniert hat. Der Unterschied besteht natürlich darin, dass nun die umsichtige Drehung des Lenkrads den (manchmal) freundlichen und gut-gelaunten Taxifahrer ersetzt und man sich quasi in den Händen eines unsichtbaren Algorithmus befindet.

Man ist nun wirklich auf sich allein gestellt – zumindest im physischen Sinne – und fährt mit einer speziell zusammengestellten Playlist, die zur Unterhaltung gedacht ist, zum auserkorenen Ziel.

Daten und Sicherheit

Die beiden Kernbereiche Daten und Sicherheit sind zwei bestimmende Gründe, warum sich Waymo bereit für die Expansion sieht. Das Unternehmen hat Millionen von autonomen Kilometern zurückgelegt, und seine Sicherheitsbilanz in diesem Zeitraum ist beeindruckend.

Waymo-Fahrzeuge waren nur an einem Bruchteil der Unfälle beteiligt, die bei vergleichbaren, von Menschen gefahrenen Kilometern verursacht werden. Maschinen machen schließlich keine dummen Dinge wie Telefonieren am Steuer oder Video- oder mobile Casinos ausprobieren während der Fahrt, aber selbst die von einem Algorithmus erwartete Fehlerquote war bedeutend geringer als erwartet. Diese überaus beeindruckende Fahrbilanz war schlussendlich mit ein Grund, warum Waymo in größeren Dimensionen zu denken angefangen hat.

KI Algorithmus

Doch seit der Entscheidung des wirtschaftlichen Wachstums hat Waymo beginnen müssen, die einzelnen Aufgaben zu skalieren, und nicht mehr auf das Versenden von einzelnen SMS zu bauen. Die neuen Aufgaben bedeuten hohe Investitionen in die Infrastruktur für einen 24/7-Service, einschließlich spezieller Fahrzeugdepots, Ladestationen, Wartungsmöglichkeiten und natürlich eines Netzwerks von Remote-Support-Spezialisten.

All diese Arbeiten sind unerlässlich, um einen großen Transportdienst zu betreiben, sei es in den USA beispielsweise Phoenix, San Francisco oder wo auch immer der nächste globale Hotspot für autonome Fahrzeuge sein könnte.

Eine zweischneidige Entwicklung

Für ein Unternehmen wie Waymo ist das globale Marktpotenzial fast unendlich groß, doch auch die Auswirkungen der einzelnen Aufgaben sind gigantisch.

Zum einen verspricht die Technologie den einzelnen Nutzern viele neue Möglichkeiten. So unterstützen beispielsweise Organisationen wie das Royal National Institute of Blind People diese Entwicklung. Sie sehen in selbstfahrenden Autos den Beginn einer sicheren Fortbewegung für Menschen, die nicht selbst fahren können. Die Fahrzeuge könnten blinden und sehbehinderten Menschen eine neue Welt der persönlichen Freiheit und Mobilität eröffnen.

Uber Taxis in San FranciscoAndererseits bringt Waymos Einführung umfangreiche wirtschaftliche Umbrüche mit sich. In San Francisco, wo Unternehmen wie Uber und Lyft vor über einem Jahrzehnt das Berufskraftfahren revolutioniert haben, stellt diese neue Fahrzeugflotte die zweite Welle technologischer Umwälzung dar.

Einige Branchenführer gehen davon aus, dass selbstfahrende Autos den Gesamtmarkt des Taxigewerbes erweitern werden, doch für den einzelnen menschlichen Fahrer können diese Veränderungen besorgniserregend sein, vor allem wenn es um die Fortführung der eigenen Berufsausübung geht. Viele Taxi-Unternehmer und auch deren Angestellten gehen davon aus, dass sie in einem Job, der sie und ihre Familien jahrzehntelang ernährt hat, nur mehr maximal ein weiters Jahr lang arbeiten könnten.

Der Arbeitsplatzverlust könnte nicht nur die Taxi-Branche betreffen. Auch Lkw-Fahrer und Lieferfahrtendienste könnten in den kommenden Jahren von diesen Umwälzungen betroffen sein. Waymos Expansion ist Teil der Debatte über die Auswirkungen der KI auf die allgemeine Beschäftigung, die die Welt eher früher als später bewältigen muss.

Die für Waymo bestehenden Hindernisse

Die Technologie scheint nun bereits reif für den globalen Markt zu sein, aber eventuell ist die uns bekannte Welt noch nicht bereit für ihn. Waymo muss sich also neben technischen Herausforderung auch auf globale Regulierungen konzentrieren aber vor allem auch die öffentliche Skepsis überwinden, die an vielen Orten herrscht, anstatt sich nur auf die wirtschaftliche Expansion zu konzentrieren.

Großbritannien ist ein perfektes Beispiel für diesen Widerstand. Die britische Regierung hat bereits vor geraumer Zeit angekündigt, große Technologieunternehmen, wie beispielsweise KI-Unternehmen, an ihren Wirtschaftsstandort zu holen, doch der regulatorische Rahmen hinkt den zu erwartenden Entwicklungen um Jahre hinterher. Waymos Ankündigung sich in Großbritannien anzusiedeln hängt auch von den regulierten und veröffentlichten Testergebnisse ab, die gesetzlich vorgeschrieben sind und bereits zu Beginn des Jahres 2026 starten sollen. Diese umfangreichen Überprüfungen benötigen jedoch möglicherweise zunächst physische Fahrer, die sich um die Sicherheit im Straßenverkehr kümmern, und selbst wenn diese Test erfolgreich für das Unternehmen ausgehen, wird eine vollständige Gesetzgebung noch mehrere Jahre auf sich warten lassen.

Verhalten von Fußgängern und Autos

In Europa wird die Anpassung an lokale Verkehrsgesetze deutlich schwieriger und umfangreicher sein als die Verwendung von eigens entwickelter Kartierungssoftware und Sensoren, die in Übersee ausreichend sind. In den USA sorgen Gesetze zum Überqueren von Straßen bei Rot dafür, dass das Verhalten von Fußgängern vorhersehbar ist. In vielen anderen Ländern, wie beispielsweise in Großbritannien, nehmen sich Straßenverkehrsteilnehmer deutlich mehr Bewegungsfreiheit heraus, als ihnen von Gesetz eigentlich zusteht. Kritiker bezweifeln, dass die Technologie in einer Umgebung, in der ein Mensch ohne Vorwarnung auf die Straße treten könnte, genauso gut funktionieren kann, wie an Orten, an denen sich die allermeisten Verkehrsteilnehmer an die geltenden Regeln halten.

Skeptiker argumentieren zudem, dass London mit seinem historisch gewachsenem Straßensystem und dem nur zeitweise stockenden Verkehrsfluss ein ganz anderes Kaliber sei als die gitterartigen Straßennetzwerke Nordamerikas. Die Technologie wird möglicherweise auf deutlich größere Schwierigkeiten und Hindernisse auf europäischen Straßen stoßen, damit auch der letzte der Winkel der Stadt tatsächlich erreicht werden kann.

Und dann gibt es noch den Faktor Mensch. In den USA gab es bereits eine Reihe von ausgefallenen Aktionen, auch von Scherzbolden, die beispielsweise eine Sackgasse mit Dutzenden von Robotaxis überfüllten, um sich anschließend in den sozialen Medien über diesen Umstand zu amüsieren, bis hin zu Partygästen, die auf das Dach eines liegengebliebenen Fahrzeugs kletterten, um dort weiterzufeiern.

Waymo wird auch auf europäischen Boden mit dieser seltsamen Welle der Aufmerksamkeit klarkommen müssen, aber manche Leute meinen, jede Nachricht, sei sie auch noch so schlecht, sei gute Publicity.

Die globale Ausrichtung

Waymo AutoWaymos Vorstoß auf einen globalen Level bedeutet im Grunde genommen aber nur mehr, dass die Debatte nun darum geht, wie schnell die autonome Technologie Einzug auf die Straßen Europas halten wird, und nicht mehr darum, ob sie überhaupt eingeführt wird – die Entscheidung für die Firmenzentrale in London ist nur die jüngste Etappe in diesem weltweiten Umstellungsprozess.


Während Waymo weiterhin um behördliche Genehmigungen ansucht, wird die autonome Revolution auch im Straßenverkehr weitergehen und unser Leben und Arbeiten in den Metropolen dieser Welt grundlegend verändern.

Welche Weltstadt wird Ihrer Meinung nach als Nächstes einen vollständig autonomen Taxidienst einführen? Die Zeit wird es uns sehr bald zeigen.