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Theater im Gefängnis klingt zunächst nach einem Widerspruch – nach Idealismus, wo eigentlich Kontrolle herrscht. „Sing Sing“ nutzt genau diesen Widerspruch, um das System zu spiegeln, in dem Schuld, Anerkennung und Zukunft miteinander verknotet sind. Zwischen Zellengittern und Theaterkulisse entwickelt sich ein Raum, in dem Menschen wieder sprechen dürfen.
Ein Inhaftierter kämpft um Gerechtigkeit und nutzt das Spiel als Ventil. Ein anderer lernt durch dieselbe Bühne, sich selbst auszuhalten. Proben verlaufen chaotisch, Menschen scheitern, versuchen es erneut – manchmal auch nicht. Während im Saal geprobt wird, findet draußen die Entscheidung statt, wer wieder gehen darf. Wie viel Wahrheit passt in eine Rolle?
Im Drama „Sing Sing“ führt Greg Kwedar Regie, das Drehbuch stammt von ihm, Clint Bentley und Brent Buell. Colman Domingo spielt John „Divine G“ Whitfield, Paul Raci verkörpert Brent Buell. Sean San Jose ist als Mike Mike zu sehen, Jon-Adrian Velazquez spielt Blaze, David J. Giraudy Dap. Clarence „Divine Eye“ Maclin tritt ebenso wie Sean „Dino“ Johnson auf. Gedreht wurde der Film in den USA, Premiere war beim Toronto International Film Festival im September 2023. In Deutschland startet er am 27. Februar 2025. Die FSK gab eine Freigabe ab 12 Jahren. Die Musik komponierte Bryce Dessner, für die Kameraarbeit war Pat Scola verantwortlich. Den Schnitt übernahm Parker Laramie.
Die Produktion übernahmen Greg Kwedar, Clint Bentley und Monique Walton. „Sing Sing“ basiert auf wahren Ereignissen und wurde teilweise mit ehemaligen Insassen gedreht. Bei den Oscars 2025 erhielt der Film drei Nominierungen: Bestes adaptiertes Drehbuch, Bester Hauptdarsteller und Bester Filmsong. Zudem wurde er bei zahlreichen Festivals gezeigt, etwa in San Francisco, Chicago und Atlanta. Colman Domingo erhielt für seine Darstellung mehrere Auszeichnungen, unter anderem bei den Gotham Awards, den Golden Globes und den Satellite Awards. Auch Clarence Maclin wurde vielfach geehrt. Die Einspielergebnisse in den USA lagen bis Februar 2025 bei rund 4,7 Millionen Dollar.
Im Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing schließt sich Divine G einem Theaterprojekt an, das das RTA-Programm ins Leben gerufen hat. Brent Buell leitet die Gruppe und fordert die Teilnehmer mit gezielten Übungen heraus. Divine G nutzt die Bühne, zeigt offen seine Emotionen und formt dabei Schritt für Schritt eine neue Identität. Gleichzeitig kämpft er entschlossen dafür, seine Unschuld zu beweisen. In der Theatergruppe übernimmt er Verantwortung, schreibt Stücke und überzeugt mit starker Präsenz und Einfühlungsvermögen.
Als die nächste Aufführung ansteht, tritt ein schwieriger Neuzugang der Gruppe bei: Divine Eye. Er verspottet die Theaterarbeit anfangs offen als Spielerei, während Divine G darin ein Werkzeug zur Heilung erkennt. Beide geraten schnell aneinander und kämpfen um die Ausrichtung des neuen Stücks. Divine Eye fordert eine Komödie, Divine G setzt sich für ein Drama ein. Der Konflikt spitzt sich zu, als Divine Eye gezielt die einzige ernste Rolle für sich beansprucht. Divine G reagiert irritiert und versteht diese Entscheidung zunächst nicht.
Während der Proben findet sich allmählich eine Annäherung, da Brent Buell mit gezielten Übungen durch den Prozess führt. Divine Eye beginnt, sich zu öffnen, und entwickelt dadurch langsam eine eigene Ausdruckskraft. Gleichzeitig bleibt Divine G der emotionale Anker der Gruppe. Als die Theaterleitung schließlich den Entwurf des Stücks sieht, erteilt sie zur Überraschung aller die Freigabe. Doch nur wenig später trifft Divine G ein schwerer Schicksalsschlag, denn Mike Mike stirbt unerwartet, was ihn tief erschüttert.
Bei einer Anhörung legt Divine G neue Beweise für seine Unschuld vor und beschreibt offen die positiven Effekte des Schauspielens. Ein Kommissionsmitglied stellt jedoch direkt infrage, ob er seine Gefühle nur spielt. Die Kommission verweigert die Entlassung und zerstört damit seine Hoffnung. Divine Eye erhält hingegen die Freilassung. Divine G verlässt das Projekt enttäuscht und zieht sich zurück. Nach mehreren Tagen der Isolation kehrt er schließlich zurück. Die beiden sprechen sich aus und versöhnen sich. Die Gruppe bringt das Stück auf die Bühne und feiert damit einen Erfolg. Jahre später verlässt auch Divine G das Gefängnis. Vor dem Tor wartet Divine Eye auf ihn, und gemeinsam gehen sie von dem Ort, der alles verändert hat.
„Sing Sing“ setzt auf eine ruhige, fast dokumentarische Erzählweise, die die Grenzen zwischen Schauspiel und Realität bewusst verschwimmen lässt. Gerade weil viele Darsteller ihre eigenen Biografien mitbringen, gewinnt der Film an Glaubwürdigkeit. Colman Domingo spielt seine Rolle präzise und kontrolliert, ohne in Klischees zu verfallen. Die Szene während der Anhörung, in der sein Charakter plötzlich mit der Frage konfrontiert wird, ob er nur spielt, trifft einen Nerv. Sie stellt den gesamten Prozess infrage – sowohl aus Sicht der Figur als auch des Zuschauers. Die Inszenierung arbeitet dabei konsequent mit Zurückhaltung, verzichtet auf dramatische Effekte und schafft es so, die innere Spannung glaubhaft aufzubauen.
Trotz der starken Einzelleistungen und des Themas verliert der Film an manchen Stellen spürbar an Schärfe. Einige Nebenfiguren bleiben zu blass, obwohl sie reichlich Potenzial für Reibung mitbringen. Der Konflikt zwischen Divine G und Divine Eye entwickelt sich glaubwürdig, doch die Inszenierung kürzt die Eskalation spürbar ab. Der Film verzichtet bewusst auf übertriebene Dramatik und zeigt das Scheitern mit nüchternem Blick. Diese Haltung zieht sich konsequent durch das letzte Drittel. Gerade dadurch erhält das Ende eine unerwartet klare Wirkung.
Letzte Aktualisierung am 20.09.2025 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API