Immer mehr Schüler und Azubis nehmen Nachhilfeunterricht

Nachhilfeunterricht für Schüler und Azubis

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov nehmen knapp zwei Drittel der befragten Schüler in Deutschland Nachhilfe. Die unser Leben prägende Digitalisierung wirkt sich auch auf die Art und Weise des Lernens aus: Vermehrt nutzen junge Menschen Online-Angebote für den Nachhilfeunterricht. Viele von ihnen ergreifen selbst die Alternative ohne jeglichen Druck der Eltern – sie wissen oftmals nicht einmal davon.

Bevorzugt: digitales Lernen

Im Zuge der Umfrage wurden 1.111 Schüler befragt, das Ergebnis gibt zu denken: 61 Prozent nutzen außerschulische Angebote zur Wissensverfestigung oder -erweiterung. Vier von zehn gaben an, dass sie Onlineservices wie interaktive Übungen oder Videos zum Lernen verwenden. Außerdem nutzen Nachhilfeschüler gerne digitale Lernmaterialien. 26 Prozent wenden sich an andere Schüler oder Studenten, die privat Unterricht erteilen. Etwa jeder siebte Befragte entscheidet sich für professionelle Hilfe. Die Auswahl an Anbietern ist umfangreich und beschränkt sich nicht mehr nur auf Nachhilfeinstitute vor Ort. Auch über Onlineportale findet sich eine Vielzahl an Experten, ob für Nachhilfeunterricht in der Region, wie zum Beispiel mit Superprof in Koblenz oder für Online-Unterricht mit Lehrern aus der ganzen Welt.

Die Eigenmotivation junger Menschen scheint groß zu sein: Insbesondere Lernvideos sowie interaktive Aufgaben werden genutzt, zahlreiche Mütter und Väter ahnen nichts davon. Trotzdem sehen 85 Prozent der Eltern die Recherchen ihrer Kinder für die Schule über das Netz als sinnvoll an. Fast zwei Drittel befürworten zudem die Nutzung von Lernplattformen. Die Schüler selbst und auch viele Lehrer teilen diese Meinung. Die befragten Erziehungsberechtigten sind bereit, dafür auch finanziellen Einsatz zu leisten. Bis zu 30 Euro monatlich würden 34 Prozent investieren, 20 Prozent sogar mehr.

Schulkindern wäre es lieber, wenn sie nach eigenem Geschmack entscheiden könnten, auf welche Art und Weise sie lernen. Besonders beliebt ist die Hinzuziehung von neusten Technologien. Vier von zehn Schülern sagen klar aus, dass sie in Zukunft gerne öfter lernen möchten – und zwar mit virtuellen Lernmitteln. Ihr Wunsch ist es, das Lehrmaterial von den Bildungsstätten digital zur Verfügung gestellt zu bekommen, damit sie dies zu Hause nutzen können.

Mehr Integration von individuellen Lerninhalten seitens der Schulen

Eltern und Lehrkräfte stimmen diesem Wunschdenken ebenso zu. Tatsächlich würden 91 Prozent der Lehrer einen deutlich stärken Einbezug von audiovisuellen Formaten und interaktiven Übungen begrüßen. Weiterhin sind die meisten Schüler, Mütter und Vater daran interessiert, dass Lerninhalte zukünftig vermehrt auf den jeweiligen Leistungsstand optimiert werden. Dahinter stehen auch die Lehrkräfte: Sie möchten gerne individuelle Lerninhalte für einzelne Schüler erstellen und auf diesem Weg mehr individuelle Empfehlungen geben können. An der technischen Ausstattung mangelt es nicht. Die Mehrzahl der jungen Menschen besitzt heute mindestens ein Gerät zum Lernen, darunter Smartphones, Tablets und Notebooks.

Können Ganztagsschulen die Lösung sein?

Prof. Wilfried Bos sieht in dem Nachhilfeboom „eigentlich eine Bankrotterklärung für die Schulen“. Der Schulentwicklungsexperte lehrt und forscht an der Technischen Universität Dortmund. Bekannt wurde er unter anderem durch seine verschiedenen Bildungsstudien wie IGLU sowie TIMSS. Bos empfahl bereits vor längerer Zeit die umfangreiche Erweiterung des Ganztagsschulangebots. Seiner Meinung nach könnte damit die verstärkte Privatisierung von effizienter Schulbildung verhindert werden. Damit wären auch Kinder weniger finanzstarker Eltern, die sich keinen Nachhilfeunterricht leisten können, nicht benachteiligt.

Er konkretisiert seine Aussage zum Nachhilfeboom wie folgt: „Denn deren Aufgabe ist es doch, den Kindern genug beizubringen, man sollte das also nicht privatisieren. In gut gemachten Ganztagsschulen, in denen nachmittags auch wirklich Lehrer sind, ist Nachhilfe allerdings gar nicht in diesem hohen Maße notwendig. In einer solchen gebundenen Ganztagsschule wäre – zumindest theoretisch – die Möglichkeit vorhanden, sich ausreichend um die Kinder zu kümmern.“

Nachhilfeunterricht für Auszubildende

Der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft wird immer stärker, ebenso die Chance, direkt nach der Schule einen Ausbildungsplatz zu finden. Deshalb nehmen immer mehr junge Menschen schon während ihrer Schulzeit die Alternative in Anspruch, Nachhilfeunterricht zu nehmen. Von vielen Betrieben, die Berufsausbildungsplätze anbieten, wird dies erwartet oder sogar gefordert. Wenn die Schüler einen Ausbildungsplatz gefunden haben und besuchen die Berufsschule, stellen die dortigen Lehrkräfte häufig fest, dass deren Leistungen den Anforderungen nicht genügen. Liegt der Notendurchschnitt nur auf „ausreichend“, gibt es die Möglichkeit, kostenlose Nachhilfeangebote wahrzunehmen. Dies wird von Ausbildungsfirmen und Arbeitsämtern finanziell unterstützt. Gleiches gilt für die Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammer.

Eignungstests von Arbeitgebern bestehen

Eignungstests der ArbeitgeberIn einigen Lehrberufen kommen auf einen einzigen Ausbildungsplatz 100 Bewerbungen. Schüler, deren Schulabschlusszeugnis nur wenig vielversprechend aussieht, erhalten nur selten eine Chance. Darüber hinaus verlangen die meisten Betriebe, dass die Bewerber einen Eignungstest absolvieren. Wird er in den Sand gesetzt, ist eine Absage garantiert. Ausschließlich mit einem guten bis sehr guten Ergebnis sind manche Arbeitgeber gewillt, über schlechte Noten im Schulabschlusszeugnis hinwegzusehen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, allerspätestens im letzten Jahr der schulischen Ausbildung Nachhilfeunterricht zu nehmen. Er kann jungen Menschen dazu verhelfen, die betrieblichen Eignungstests deutlich besser zu bestehen.

Inanspruchnahme von Nachhilfeunterricht unabhängig von Schulleistungen

digitales LernenFrüher nahmen vor allem leistungsschwache Schüler Nachhilfeunterricht. Heute sieht das anders aus: Die Zahl der jungen Menschen mit gutem Notendurchschnitt, die ihr Wissen erweitern oder verfeinern möchten, nimmt stetig zu. Es zählen beste Noten, sei es, um den Übertritt aufs Gymnasium zu schaffen oder damit man die Möglichkeit hat, den gewünschten Studiengang einzuschlagen. Dafür nehmen Schüler einen stressigen Alltag in Kauf: Sechs Stunden Schule, zeitraubende Hausaufgaben und im Anschluss Nachhilfeunterricht. Oft findet er auch in den Ferien statt, eine Pause vom Büffeln gibt es somit nicht.

Der Vorsitzende des Landesverbands bayerischer Schulpsychologen, Hans-Joachim Röthlein, kritisiert diesen Trend. Er sagt: „Das Gehirn muss auch mal abschalten und die Dinge, die es gelernt hat, verarbeiten.“ Er hält eine Füllung der Schulferien mit Nachhilfestunden nicht für zielführend. Erst recht nicht, wenn es sich um gute Schüler handelt, die die freie Zeit eher als Belohnung genießen sollten.